Freitag, 14. März 2014

aus dem Nähkästchen geplaudert.............

Nina Felicitas Matt M.A. ,Kunst-und Kulturwissenschaftlerin,Kuratorin


über die Serie "Ahnungengalerie",
Textilobjekte von Susanne Kathi Trapp


3 Schwestern
  "Verflixt und zugenäht",so heißt ein Sprichwort:Nichts geht mehr weiter,es ist wie verhext,was steckt dahinter,kann sich der Knoten lösen?

1954 Köchin
 "Mit Nadel und Faden"sind die Bilder von Susanne Kathi Trapp überschrieben-und es bleibt offen,
was sich hinter diesem Wortpaar verbirgt. Handelt es sich um rein nützliche Nähutensilien,die sie anstelle von Pinseln,Stiften und Klebstoff verwendet?Könnte die Wahl der Mittel auch Teil der Darstellung sein?


1968 Alice
 Susanne Kathi Trapp entwickelt Collagen, die aus einzelnen Fragmenten bestehen,stofflich und inhaltlich.Sie verwendet schwarz/weiß-Fotos,Knöpfe,Borten und Litzen,künstliche Blumen und dekorative Aufmerksamkeiten,Perlen und Spitzen,schöne Textilien,Rupfen,Filz und Tarnstoffreste.
Die einzelnen Teile fügt sie mit Nadel und Faden,linear oder mit Stickmustern zusammen,in der Anordnung und in der Proportion klassisch.Die Farben wählt sie bunt und verhalten,schrill und gedämpft,immer darauf bedacht,dass die Gegensätze und Schwerpunkte im Gesamtbild ausgeglichen sind.Den Fotos, die sie stets zentral platziert,verleiht sie mit ihren dreidimensionalen Einrahmungen
eine über das Medium hinausgehende Kraft und Dynamik. Man sieht auf den Bildern ältere Menschen,Kinder und Jugendliche,in repräsentativen Posen,stolz,fröhlichund verschmitzt.Die Gesichter zeigen eine geschichtenreiche Mimik, sie regen zum Nachdenken und zum Schmunzeln an.
Susanne Kathi Trapp "zeichnet" mit Nadel und Faden einige Konturen nach und richtet dadurch den Blick auf einzelne Aspekte, die ihr bedeutungsvoll erscheinen.Man weiß nicht genau,worum es geht,aber man spürt es,man ahnt etwas.

Luna
 
Die gezeigten Fotos sind meist Familienbilder von Susanne Kathi Trapp,die als "Nachlass im Koffer"
aufgetaucht sind,kommentarlos und rätselhaft zugleich.Die Neugier um die eigenen Wurzeln,nach den Familienstrukturen von drei Generationen und deren Lebensformen war geweckt und ließ ihr keine Ruhe mehr.Dazu kamen die mehr oder weniger deutlichen Erinnerungen aus ihrer Kindheit und die nachträgliche Entschlüsselung von Unklarheiten und Zusammenhängen, die ihr Leben bis heute beeinflussen.Fragen drängen sich auf:Wer sind die dargestellten Personen,wie lassen sie sich zuordnen und wie mögen ihre Lebenspläne,ihre Träume und ihre Gefühlslage gewesen sein als diese Bilder  gemacht wurden?Die möglichen Antworten sind so vielfältig wie die beweglichen Bilder in einem Kaleidoskop.Von den Entdeckungen berührt,wagte sich die Künstlerin auf eine Reise in ihre Vergangenheit,zu ihren Verwandten und Vorfahren.Ihre Ahnungen mutierten zur "Ahnungenforschung".

1942 Tante Trude


Derkünstlerische Weg und die Form der bildhaften Inszenierung ermöglichten Susanne Kathi Trapp
einen erträglichen und scherzhaften Umgang mit den Aufdeckungen ihrer bis dahin nur vage bekannten Familiengeschichte.Sie strukturierte Bilder und Eindrücke,brachte diese mit "Nadel und Faden"in eine Abfolge und schaffte mit der Zeit ihre eigene "Ahnungengalerie", die wohl noch längst nicht vollständig ist.
1937 Erstkommunion


Die Zuordnung der Gruppenfotos und der Einzeldarstellungen erforderte viele Gespräche und auch Reisen ins Land der Eltern und Großeltern.Von den Entdeckungen berührt,näherte sie sich ihren rätselhaften Gefühlen und den offenen fragen,indem sie sich für jedes Bild ähnliche Versatzstücke ausdachte.Mit ihrer feinsinnigen und bedeutungsvollen Stoffwahl schuf sie weitreichende Assoziationen von Krieg- und Friedenszeiten.

1910 Gruppenbild mit Padre Pio

Mit dem unterschiedlichen Stick-und Nähduktus und vielen poetisch applizierten Kleinigkeiten erweist sie jeder einzelnen Person ihren Respekt.Die Bilder und ihre Protagonisten erscheinen mehrschichtig,glatt und gerissen,Rahmen sprengend und emotional,streng oder heiter,mal heroisch verblendet oder verzweifelt fragend,auch herzlich warm oder selbstbewusst musisch."Mit Nadel und Faden" fixierte sie einen ganzen Reigen von Alltagstimmungen und ergründete auf kunstvolle Weise, wie das Leben ihrer Familie war oder gewesen sein könnte.DieKünstlerin schafft Bilder,die von einem Jahrhundert erzählen,das mit seinen nachhaltigen Begebenheiten noch lange nicht überwunden ist.Ihre Arbeiten beziehen sich auf die letzten hundert Jahre, sie beleuchten Gedankenwelten von polnischen,deutschen,orthodoxen,katholischen,protestantischen und jüdischen Kindern,Jugendlichen 
und Erwachsenen.Susanne Kathi Trapp ist es mit ihrer Kunst gelungen,den verbliebenen Fotos eine Sprache zu geben und darüber hinaus eröffnete sie auch einen möglichen Weg für eine spannungsreiche Spurensuche.Sie veranschaulicht mit ihrer spielerischen und humorvollen Art,wie sich persönliche Erinnerungen,Empfindungen und Ahnungen facettenreich aufschlüsseln lassen und wie sich infolgedessen mit der Zeit einige zum Leben notwendige Klarheiten herauskristallisieren.

1930 Mädchengruppe
  

 Nina Felicitas Matt M.A.,Katalogbeitrag,S.1/2,März 2014



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